Der Mann am Klavier und ich

Und wieder ist es soweit, denke ich und kippe den goldenen Tequila hinunter. Es schüttelt mich kurz und ich beeile mich, in die zimtgeschwängerte Orange zu beißen. Der Geschmack ist so frisch, dass mir ein Gedanke in den Kopf schießt: Ist Tequla vielleicht nur dazu da, dass wir wenigstens gelegentlich Obst zu uns nehmen?

Ich habe noch nicht mal angefangen, mich in das Thema zu vertiefen, da stelle ich, beim Blick durch die Hotelbar, fest: es gibt nur noch uns beide. Mich und den Mann am Klavier. Es ist wieder mal soweit.

Seit Stunden huschen seine Finger über die Tasten und nun spielt er erneut Frank Sinatra nur noch für mich –  und das nicht zum ersten mal.

Tja, das war’s dann wohl. Schutt und Asche bleiben übrig wo Hoffnung aufbauen wollte. Es gab eine Zeit da dachte ich, ich würde niemals wieder hier landen. Denken ist Glückssache.

Wielange ist es her, dass ich zuletzt hier war? 3 Jahre? War ich damals fertig! Ich habe mir alleine die Schuld daran gegeben und mich emotional selbst zerfleischt. Ich war unfassbar am Ende und habe mich dann in dieser Bar so derbe betrunken, dass es mir komplett egal war „As Time goes by“ geschätzte 7 mal hören zu müssen. Gefühlt waren es 20 mal!

Komisch, heute hat mich schon die dritte Version genervt. Dabei mag ich Ol` blue eye Sinatra. Wirklich!

Ich sollte mal mit dem Mann am Klavier reden. Schließlich haben wir ja jetzt sowas wie eine gemeinsame Geschichte. Wahrscheinlich hängen hier ne Menge Leute wie ich rum – also jetzt nicht mehr, aber vor ein paar Stunden … Die Stimmung ist sowieso sehr melancholisch, fast depressiv, da wirkt Franky auch nicht gerade extatisch. Ich werde ihm einfach ein paar Tipps geben! Das ist es! Vielleicht kann er ja mehr fröhliche Songs ins Programm aufnehmen. Das würde sicher die schummrige Atmosphäre etwas freundlicher machen.

Jetzt, wo der Laden leer ist und wir alleine sind, ich und der Mann am Klavier, ist es beinahe familiär. Für einen Augenblick fühle ich mich zuhause.

Der Mann am Klavier spielt „Something stupid“. Wie hält das seine Beziehung eigentlich aus, frage ich mich, jede Nacht bis in die Puppen muss er hier in die Tasten hauen.

Könnte natürlich auch sein er spielt nur, wenn er eine gescheiterte Beziehung verarbeiten muss …

Ich sollte rübergehen, mich neben seinen Flügel setzen und warten, bis er sein Lied beendet hat, klatschen und ihn dann ansprechen. Ob er es lustig findet, wenn ich ihn mit Maestro anrede?

Ich glaub da brauch ich erst noch einen Tequila.

Der Barkeeper ist verschwunden. Als ich hinter den Tresen schaue, kann ich ihn aus der Küche telefonieren hören. Vor mich hat er 5 Gläser Tequila, Orangenscheiben und Zimt gestellt.

Toll, denke ich, und wieder ist es soweit, jetzt sind es nur noch zwei: der Mann am Klavier und ich.  

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